Veranstaltung: | Bundesversammlung 2024 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | TOP 4: Anträge - 1. Lesung (Verständnisfragen, Einschätzungen, Festlegung der Antragscafés) |
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 3 |
A7.2: NEU! Anhang Grundlagentext "Wir sind Mädchen und Frauen"
Antragssteller*innen
Bundesleitung
Wortlaut des Antrages
Für uns als Pfadfinder*innen ist die inklusive Mädchenarbeit ein pädagogischer
Ansatz, der einen sicheren und unterstützenden Raum schafft, in dem alle
Mitglieder gleichermaßen anerkannt, respektiert und gefördert werden können,
unabhängig von ihren individuellen Merkmalen oder Hintergründen. Dabei werden
verschiedene Dimensionen der Vielfalt berücksichtigt, einschließlich ethnischer
oder kultureller Herkunft, sexueller Orientierung, sozioökonomischem
Hintergrund, körperlicher sowie geistiger Fähigkeiten. Gleichermaßen erkennen
wir an, dass sich die geschlechtliche Identität unserer Mitglieder im Laufe
ihres Verbandslebens ändern kann.
Inklusive Mädchenarbeit strebt danach, Barrieren abzubauen, Chancengleichheit zu
fördern und eine vielfältige und inklusive Gemeinschaft zu schaffen, in der jede
einzelne Person ihr volles Potenzial entfalten kann. Sie fördert Solidarität,
Empowerment und soziales Engagement um eine gerechte und gleichberechtigte
Zukunft für alle herbeizuführen.
„Look at the girl“ – diese Aufforderung ist seit der Gründung der
Pfadfinderinnenbewegung der wichtigste Grundsatz pfadfinderischen Mädchenarbeit.
Aus Baden-Powells Leitsatz „Look at the boy“ für die Gruppenleiter der
Pfadfinderbewegung, entwickelte sich die mädchenspezifische Variante schon bald
nach Entstehung der ersten Pfadfinderinnengruppen.
Übersetzt bedeutet dies, dass wir Mädchenarbeit fördern und diese grundsätzlich
bei den Bedürfnissen von Mädchen und Frauen ansetzt. In unserer Arbeit
berücksichtigen wir, dass Kinder aufgrund ihres biologischen Geschlechtes
vielfach von Geburt an auf unterschiedliche Aufgaben, Funktionen und Rollen hin
erzogen werden, sei es auf Grund von Erziehungsmaßnahmen und versteckt durch die
Sozialisation in eine immer noch durch überholte Geschlechterrollenvorstellungen
geprägte Gesellschaft. Sie setzt am Ist-Stand an („Look at the girl“), bestärkt
vorhandene Stärken, macht Mut, Neues auszuprobieren und neue Fähigkeiten zu
entwickeln, und deckt andererseits Benachteiligung, Abwertung und Einengung in
ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen auf.
Die Mädchenarbeit der PSG sieht sich damit integriert in den 1996 vom
Weltverband der Pfadfinderinnen WAGGGS (World Association of Girl Guides and
Girl Scouts) klar formulierten Auftrag der Welt-Pfadfinderinnenbewegung: Mädchen
und junge Frauen zu befähigen, all ihre Fähigkeiten zu entfalten, um
verantwortliche Bürgerinnen in der Welt zu werden.
„ W A G G G S ‘ M I S S I O N IS TO E N A B L E G I R L S A N D Y O U N G W O M
E N T O D E V E L O P T H E I R F U L L E S T P O T E N T I A L A S R E S P O N
S I B L E C I T I Z E N S O F T H E W O R L D . “
Wir sehen aber, dass in der patriarchalen Gesellschaft auch heute Menschen
aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Diese Diskriminierung betrifft
neben Mädchen und Frauen auch inter*, nichtbinäre, trans* und agender Personen1.
Deshalb wollen wir unsere feministische Arbeit für FINTA*-Personen innerhalb
unseres Verbandes ausweiten.
Die PSG hat sich in der Verbandsgeschichte bewusst entschieden, ein Mädchen- und
Frauenverband zu sein. Wir wollen weiterhin Räume bieten, die eine Reflexion von
Geschlechterrollen ermöglicht und unsere Arbeit auf feministischen Ansätzen
aufbauen. Andererseits sehen wir auch, dass der binäre Ansatz auf dem diese
Arbeit ursprünglich basiert, nicht Realität ist. Wir wissen, dass
Geschlechtsidentität nicht bei der Geburt bestimmt wird.
(Auszug aus dem Positionspapier „Geschlechtervielfalt in der PSG“ 2022)
Im Ganzen betrachtet werden in der patriarchalen Gesellschaft durch die
existierenden strukturellen Ungleichheiten und Machtverhältnisse
unterschiedliche Arten der Diskriminierung aufrechterhalten. Deshalb siedelt die
PSG ihre feministische Arbeit im intersektionalen Feminismus an.
Intersektionaler Feminismus bezieht sich auf die Anwendung eines feministischen
Rahmens, der die verschiedenen Identitäten und Erfahrungen berücksichtigt, mit
denen Frauen und weitere FINTA* Personen konfrontiert sind. Dies beinhaltet,
dass sich verschiedene Formen der Unterdrückung und Diskriminierung miteinander
überlappen und gegenseitig verstärken. Das Ziel in der PSG besteht darin, eine
Umgebung zu schaffen, in der alle Mädchen, junge Frauen und weitere FINTA*
Personen sich unterstützt, respektiert und repräsentiert fühlen, unabhängig von
ihren individuellen Merkmalen.
In der inklusiven Mädchenarbeit steht die Selbstbestimmung und -entfaltung der
jungen Menschen im Mittelpunkt und hat damit zur Aufgabe einen Raum zu schaffen,
in dem junge Menschen ihre Stärken entdecken, ihre Potenziale entfalten und zu
selbstbestimmten Individuen einer inklusiven und gerechten Gesellschaft
heranwachsen können.
- Förderung von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung:
Unsere Mitglieder dazu befähigen, selbstbestimmt zu handeln und ihre
eigenen Entscheidungen zu treffen. Sie sollen ein starkes
Selbstbewusstsein entwickeln und ihre eigenen Bedürfnisse und
Interessen vertreten können. - Verständnis für Selbstwirksamkeit:
Unsere Mitglieder in ihrer persönlichen Entwicklung stärken und
ihnen ein positives Selbstbild vermitteln. Das Ziel ist, ihre
Selbstwirksamkeit zu fördern und sie in ihrer individuellen
Entfaltung zu unterstützen. - Verantwortung für den eigenen Fortschritt:
Unsere Mitglieder übernehmen die Verantwortung für ihre persönliche
Entwicklung. In der inklusiven Mädchenarbeit haben alle die
Freiheit, selbstbestimmt zu entscheiden, was sie lernen und wofür
sie sich engagieren möchten. - Kritische Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen:
Ein zentrales Ziel ist es, unsere Mitglieder für
Geschlechterstereotypen und Rollenklischees zu sensibilisieren. Es
geht darum, diese Rollenbilder kritisch zu hinterfragen und Mädchen,
junge Frauen und weitere FINTA* Personen zu ermutigen ihre Identität
selbst zu definieren. - Förderung von Gleichberechtigung und Partizipation:
Die Mädchen, junge Frauen und weitere FINTA* Personen werden
ermutigt, ihre Rechte einzufordern und sich aktiv an
Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Sie werden gestärkt als
gleichberechtigte Partner*innen in der Gesellschaft zu agieren. - Schaffen von Räumen für Mädchen und junge Frauen:
Die inklusive Mädchenarbeit in der PSG bietet geschützte Räume, in
denen sich die Mitglieder frei entfalten, ausprobieren und ihre
Fähigkeiten entwickeln können. Es werden Übungsfelder
bereitgestellt, in denen Mädchen, junge Frauen und weitere FINTA*
Personen ihre Stärken entdecken und Herausforderungen meistern
können. - Empowerment und Solidarität:
Das Empowerment von Mädchen, jungen Frauen und weitere FINTA*
Personen wird gefördert und ihre Solidarität untereinander gestärkt.
Sie werden ermutigt, sich gegenseitig zu unterstützen, Erfahrungen
auszutauschen und gemeinsam für ihre Rechte einzutreten. - Sensibilisierung für gesellschaftliche Ungleichheiten:
Es werden Themen wie Sexismus, Rassismus und andere Formen von
Diskriminierung aufgegriffen, um unseren Mitgliedern zu einem
kritischen Bewusstsein und einer aktiven Haltung gegenüber sozialen
Ungerechtigkeiten zu verhelfen.
- Förderung von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung:
Wir als PSG verstehen unter pfadfinderischer Bildung, junge Menschen
ganzheitlich zu sehen und sie in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen.
Dabei werden nicht nur Wissen und Fähigkeiten vermittelt, sondern auch Werte,
soziale Kompetenzen und ein Verständnis für die Natur und die Gesellschaft
entwickelt.
Jeder einzelne Mensch soll ermutigt werden, seine Entwicklung aktiv in die Hand
zu nehmen und für sich Verantwortung zu übernehmen. Dabei streben wir eine
umfassende Entfaltung ihrer Potenziale an. Pfadfinderische Bildung zielt somit
auf Selbstbestimmung und aktive Teilhabe ab.
Wir als PSG sehen Menschen ganzheitlich, dies beinhaltet auch, dass menschliche
Eigenschaften grundsätzlich weder geschlechtsgebunden, noch an sich gut oder
schlecht, stark oder schwach, wertvoll oder wertlos sind. Entsprechend den
Zielen der Pfadfinder*innenbewegung und auf der Grundlage christlich geprägter
Werte und Zielvorstellungen bewerten wir Eigenschaften und Kompetenzen
geschlechtsungebunden. Die Fähigkeiten jeder Einzelnen sollen durch unsere
pädagogische Arbeit gefördert werden.
Wir möchten die PSG als geschützten Raum sein indem unsere Mitglieder die
Möglichkeit haben, ihre eigene Stimme zu finden und zu nutzen. Sie werden
ermutigt aktiv ihre Lebenswelt zu gestalten und sich unabhängig von
Rollenvorstellungen zu entwickeln.
Die inklusive Mädchenarbeit trägt dazu bei, Stereotypen, Vorurteile und
Ungerechtigkeiten abzubauen und ermöglicht unseren Mitgliedern sich zu
eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Dabei spielt die Förderung von
Solidarität, Empathie und gegenseitigem Respekt eine zentrale Rolle, um ein
harmonisches Miteinander zu schaffen und alle Mädchen, junge Frauen und weitere
FINTA* Personen in ihrer Vielfalt zu unterstützen. Mithilfe unserer geschützten
Räume tragen wir dazu bei das sich unsere Mitglieder zu eigenständigen
Persönlichkeiten heranwachsen, die aktiv an der Gestaltung einer inklusiven
Gesellschaft mitwirken. Es ist wichtig, dass alle Mitglieder, unabhängig von
ihrer geschlechtlichen Identität, sich akzeptiert, respektiert und unterstützt
fühlen.2
Die grundlegende Arbeit der PSG beruht auf den „sechs Elementen der
pfadfinderischen Pädagogik“. Diese wird im Grundlagentext „Wir sind
Pfadfinderinnen“ beschrieben.
Inklusive Mädchenarbeit bedeutet, dass wir uns nicht nur auf pädagogische,
sondern auch auf politische Aspekte konzentrieren. Pädagogik und Politik sind
untrennbar miteinander verbunden und spielen eine zentrale Rolle in unserer
Arbeit.
- Wir hinterfragen die gesellschaftlichen Zusammenhänge, die Menschen auf
Geschlechterrollen festlegen, und wirken aktiv Benachteiligung entgegen.
- Wir setzen uns öffentlich in allen Bereichen der Gesellschaft für
Gleichstellung und Gleichberechtigung ein, um bestehende ungleiche
Strukturen aufzubrechen und eine Veränderung und Neugestaltung der
Gesellschaft zu bewirken.
- Zusätzlich zu unserem Verständnis von inklusiver Mädchenarbeit als
politisches Handeln bieten wir einen sicheren Raum, in dem unsere
Mitglieder ihre Stimme erheben können und Platz ist jugendpolitische
Erfahrungen zu sammeln.
- Wir unterstützen mit unserer Pädagogik Mitglieder, ihre eigenen Stärken zu
erkennen und entwickeln. Wir fördern ihre Selbstbestimmung, Stärke und
Resilienz, damit eigenständig in der Gesellschaft agieren und zu positiven
Veränderungen beitragen können.
- Wir streben nach konkreten Maßnahmen und Veränderungen in allen Bereichen
der Gesellschaft. Die Politik muss aktiv Gesetze und Programme fördern,
die eine tiefgreifende gesellschaftliche Sensibilisierung für
Geschlechterfragen ermöglicht. Dies erfordert eine umfassende Integration
von Themen der Geschlechtergerechtigkeit in Bildungseinrichtungen,
Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen.
- Darüber hinaus müssen bestehende Gesetze überprüft und aktualisiert
werden, um eine nachhaltige Gleichberechtigung zu gewährleisten.
- Es ist ebenso wichtig, bestehende ungleiche Strukturen in der Gesellschaft
zu überdenken und neu zu gestalten. Dazu gehören die Förderung von Frauen
in Führungspositionen, die Schließung von Gehaltslücken und die Schaffung
von Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, Beruf und Familie besser zu
vereinbaren.
- Nicht zuletzt müssen Frauen und weitere FINTA* Personen aktiv in
Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen eingebunden werden. Politische
Maßnahmen sollten darauf abzielen, Frauen und weitere FINTA* Personen zu
stärken und ihre Partizipation in politischen Gremien, öffentlichen
Institutionen und Unternehmen zu fördern.
Diese Forderungen stellen eine erweiterte Ausgestaltung unseres Engagements für
Gleichberechtigung dar. Sie zeigen unseren Willen, konkrete Veränderungen in der
Gesellschaft herbeizuführen und eine nachhaltige Geschlechtergerechtigkeit zu
erreichen.
Unsere Gesellschaft unterliegt ständigen Veränderungen und mit ihr ändert sich
auch die PSG. Seit unserer Verbandsgründung hat es immer wieder Neu- und
Weiterentwicklungen in der Struktur und Pädagogik unseres Verbandes gegeben mit
der wir auch eine Vorreiter*innenrolle für gesellschaftliche Veränderungen
waren.
Die Grundprinzipien unserer pfadfinderischen Methode, insbesondere das Prinzip
"Look at the girl", bleiben auch weiterhin zentral für unsere Arbeit. Wir
streben danach, eine Pfadfinder*innenarbeit zu gestalten, die allen Mitgliedern
gerecht wird und Raum für individuelle Entfaltung bietet. Dabei legen wir nicht
nur Wert auf die Anerkennung und Bekämpfung von Benachteiligung, sondern auch
auf die Förderung von Empowerment und Selbstwirksamkeit. Indem wir Mitglieder
ermutigen, ihre Fähigkeiten zu entfalten und ihre Stimmen zu erheben, tragen wir
dazu bei, eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu gestalten.
2Exkurs PSG Diözesanverband Aachen: Die feministisch pfadfinderische
gendersensible Arbeit mit parteilichem Fokus auf Mädchen und Frauen des
Diözesanverbandes Aachen, in dem alle Menschen unabhängig des Geschlechts
Mitglied sein können, hat eine eigene Tradition, die auf die Teilnahme der PSG
an einem weltweiten Modellprojekt des Weltverbandes WAGGGS Anfang der 80er Jahre
zurück geht. Im Rahmen dieses Projektes nahm der Diözesanverband Aachen Jungen
auf und dies setzt sich bis heute fort.
Dennoch leistet auch die PSG Aachen inklusive Mädchen- und Frauenarbeit. Dies
ergibt sich aus der geschichtlichen Vergangenheit und Zugehörigkeit zum
Weltverband der Pfadfinderinnen, wie auch an der Überzeugung unserer Pädagogik
und Grundhaltung, die als Antwort auf die patriarchalen Machtstrukturen unserer
Gesellschaft verstanden wird. (weitere Informationen in dem „Konzept zur
gendersensiblen Arbeit der PSG Aachen“)