Veranstaltung: | Bundesversammlung 2023 |
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Antragsteller*in: | Projektgruppe "PSG in Kirche" |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 22.05.2023, 12:42 |
A7: A Positionspapier „Auch in Kirche: Allzeit bereit!“
Antragssteller*innen
Projektgruppe PSG in Kirche
Wortlaut des Antrages
In unserer Gemeinschaft als Pfadfinder*innen, in unserem sämtlichen Handeln und
Agieren, ist die christliche Haltung als DNA grundangelegt. Unser Blick auf den
Menschen, seine Würde sowie Fähigkeiten und Kompetenzen, entspringen dem
christlichen Menschenbild: „Und Gott*[i] sah, dass es gut war.“[ii] Im
biblischen Schöpfungsbericht überträgt Gott* den Menschen die Verantwortung für
die gut gedachte Schöpfung. Aus diesem Bewusstsein heraus übernimmt die PSG
Verantwortung für eine humane Gestaltung der Gesellschaft und auch der Kirche.
Die PSG begreift Kirche als einen Ort und einen Partner, wo das Versprechen Jesu
Christi für die Menschen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es
in Fülle haben“[iii] wirklich und erfahrbar werden kann. Die PSG möchte in
diesem Sinne Teil der katholischen Kirche sein und sie mitgestalten, gerade um
dem im Zweiten Vatikanischen Konzil geprägten Selbstbild der Kirche, dass sie
immer reformiert werden muss[iv], gerecht zu werden. Daher ist es uns wichtig,
den lebensfeindlichen Strukturen von Kirche entgegenzuwirken und zu
widersprechen. Die PSG kann jungen Menschen Erfahrungsräume anbieten, in denen
eine Persönlichkeitswerdung möglich ist, wie sie im Grundsatzpapier
„Wirklichkeit wahrnehmen – Chancen finden – Berufung wählen. Leitlinien zur
Jugendpastoral“[v] 2021 der deutschen Bischofskonferenz skizziert wird. Die
pfadfinderische Bewegung ist in ihrer Gründung als Ausdruck einer christlichen
Haltung gedacht. Glaube wird in der PSG als Beziehungspastoral[vi] miteinander
gelebt und geteilt. Kirche kann als Sozialform von der PSG, insbesondere auch
den demokratischen Verbandstrukturen, lernen.
Die Demokratie und das Mitspracherecht wollen wir in der Amtskirche einfordern
und ausbauen. Die Notwendigkeit des Positionspapieres sehen wir darin, dass
kritische Auseinandersetzungen geführt werden müssen, damit eine Sprachfähigkeit
und -mündigkeit entsteht. Für mehr Gerechtigkeit müssen besonders Themen
angesprochen werden, der die Amtskirche nicht genug Aufmerksamkeit schenkt. Mit
Hinblick auf die Ergebnisse der Umfrage an die PSG-Mitglieder[vii] wird
deutlich, dass eine Stellungnahme und eine Änderung vonnöten sind. Wir wollen
die Verbandsspiritualität fördern und zu einer Rebellion für eine demokratische
und gerechte Kirchenpolitik ermutigen.
In diesem Positionspapier werden kirchliche und religiöse Begriffe benutzt. Mit
folgender Bedeutung verwenden wir diese Begriffe, deren Definitionen auf den
subjektiven Wahrnehmungen und Einstellungen der PSG beruhen:
In Hinblick auf das Standbein der PSG: „Wir sind katholisch“ ist uns eine
Auseinandersetzung mit Spiritualität und Religiosität äußerst wichtig. Dabei ist
zu betonen, dass diese beiden Komponenten nicht identisch sind.
Spirituell sein bedeutet für uns individuelle Erfahrungen mit Transzendenz zu
machen. Das heißt, dass man Momente erlebt, in denen man das Gefühl verspürt,
mit einer außerhalb des Bewussten liegenden, rational nicht erklärbaren
Wirklichkeit in Verbindung zu stehen. Dazu kann dementsprechend das Empfinden,
Teil einer Schöpfung zu sein, die Auseinandersetzung mit Sinnfragen, die
Sehnsucht nach Gemeinschaft oder das In-Betracht-Ziehen einer möglichen Existenz
eines transzendenten Gegenübers, wie z.B. einer*m Gott*, gehören. Man muss
demgemäß nicht einer Religion angehören, um spirituelle Erfahrungen zu machen.
Wir als Pfadfinder*innenverband sehen Spiritualität als die Wirkung des Geistes
Gott*es in der Welt an, die sich im Einklang mit der Natur und dem
freundschaftlichen Leben in einer Gemeinschaft äußert.
Die Religiosität beschreibt die Fähigkeit, die eigene Spiritualität mithilfe von
Ritualen, die in der jeweiligen Religionsgemeinschaft anerkannt sind, ausdrücken
zu können. Hier beeinflussen also die spirituellen Erfahrungen das Denken und
Handeln insofern, als dass man sie in einer Religionslehre verorten kann: Die
Wirklichkeit wird spirituell interpretiert. Werte- und Moralvorstellungen, wie
beispielsweise die Verantwortung und Wertschätzung gegenüber der Natur sowie den
Menschen, die wir im Verbandsleben fördern, sind, angesichts der Religiosität
für die PSG, Ausdruck einer christlichen Haltung. Zu Religiosität zählen wir
zudem als zentrales Merkmal das Pflegen von Ritualen und Tradition, die auf
Spiritualität fußen, wie zum Beispiel die Versprechen der Altersstufen. Zudem
bilden Morgen- und Abendimpulse, Wegzeiten und gemeinsame Tischgebete einen
festen Bestandteil unseres Verbandslebens.
Für uns ist Glaube die bedingungslose Annahme und das Vertrauen in eine
transzendente Wirklichkeit, die begründete Hoffnung schenkt. Sie wirkt dabei
positiv im Menschen und in den Alltag hinein. Der individuelle Glaube einer*s
jeder*m Einzelnen unterliegt dabei einer stetigen Entwicklung und Zweifeln. Die
Weitergabe und der wertschätzende Austausch institutioneller Glaubenslehre und
des persönlichen Glaubens sind dabei wertvolle Erfahrungen, die den eigenen
Glauben und den der Mitmenschen nachhaltig prägen. Aus dem Glauben wächst eine
wohlwollende Grundhaltung gegenüber sich selbst, seinen Mitmenschen und der
Schöpfung. Weiter kann aus dem Glauben das Bedürfnis nach gelebter
Spiritualität, Religiosität und Kirche entfachen.
Vom altgriechischen katholikós ‚das Ganze betreffend‘. Die PSG versteht unter
dem Begriff die Universalität der Botschaft Jesu Christi: Die Botschaft vom
Reich Gott*es ist nicht an eine kleine, exklusive Gruppe gerichtet, sondern gilt
allen Menschen guten Willens. Der Wunsch, als Kirche eine Gemeinschaft von
unterschiedlichen Herkünften und Ethnien sowie Geschlechtern und Identitäten zu
gestalten, entspringt der Grundüberzeugung, dass sich das Reich Gott*es nur
durch Zusammenarbeit in heterogenen Teams verwirklichen lässt.
Für die PSG bedeutet der Begriff Kirche eine Vorstellung von Gemeinschaft, die
Jesus Christus mit seiner Auferstehung in die Welt gesetzt hat. Dabei ist die
Kirche eine Sozialform, welche die Idee von dem Reich Gott*es in der Welt
wachhält und weiterträgt. Kirche ist dort, wo Menschen sich zusammentun, um
Jesus Christus nachzufolgen. Kirche ist dort, wo Menschen die Erfahrung von
ebenbürtiger Gott*eskindschaft machen können.[viii] Das gemeinschaftliche Dasein
innerhalb der Kirche bietet eine große Chance. Die PSG lebt von diesem
Zusammenhalt, von Verbundenheit und dem Wir-Gefühl.
Amtskirche bedeutet für uns die aktuelle Struktur und Organisationsform von
Kirche, die sich zum einen durch Territorium und Kategorie auszeichnet und zum
anderen durch eine klare Hierarchie gekennzeichnet ist. Durch die
Organisationform soll Kirche in der Fläche ermöglicht und garantiert werden.
Amtskirche realisiert sich als Teil der jeweiligen Gesellschaft und wirkt in
diese hinein. Die Strukturen von Amtskirche sind menschengemacht und haben ihre
Berechtigung, insofern sie der Realisierung von Kirche dienen.
Als Teil der katholischen Kirche erkennen wir mit langjährigen Erfahrungen viele
beängstigende Missstände. Wir als PSG haben im Folgenden zentrale Aspekte
hervorgehoben, die uns als Verband mit am meisten herausfordern:
Die Ergebnisse der MHG-Studie mit dem Titel „Sexueller Missbrauch an
Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche
Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ aus dem Jahr 2018
sind erschütternd. Mehr als 3.600 Fälle sexuellen Missbrauchs hat das
Forschungsteam im Analysezeitraum (1946-2014) identifiziert, wobei 4,4% aller
Geistlichen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen verübt haben.[ix] Zudem
weist die BDKJ-Vorstudie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den
Jugendverbänden neben den verschiedenen Arten jener Gewalt auf, dass die meisten
Missbräuche zwischen 2010 und 2022 stattfanden – Tendenz steigend.[x] Die
Dunkelziffer dieser Missbräuche und Vorfälle wird um einiges höher sein, als
dokumentiert wird. Wir dürfen die Augen vor dem System innerhalb der
katholischen Kirche, welches den Missbrauch möglich macht, nicht verschließen.
Auf Grundlage dessen setzen wir uns als katholischer Kinder- und Jugendverband
gegen Kindesmissbrauch durch Kirche ein.
Wir sehen veraltete, autoritäre und dogmatische Überzeugungen mit systematischer
Ausgrenzung in der katholischen Kirche!
In unserem Verband wird zunehmend die Sorge geäußert, dass sich die Kirche durch
das Ausgrenzen beziehungsweise Abwerten verschiedener Gruppen, darunter
vorrangig Frauen und der LGBTQI+ Community, sowie durch das Festhalten an
hierarchischen Strukturen und die Reformunfähigkeit selbst aus
gesellschaftlichen Diskursen exkludiert. Somit läuft sie Gefahr an
Glaubwürdigkeit, Relevanz und natürlich auch Mitglieder zu verlieren. Besonders
diskutiert wurde die Öffnung des Weihsakraments für alle Geschlechter, ein
freiwilliges Zölibat sowie die Gleichberechtigung queerer Menschen.
Die PSG sieht es als fortwährende Aufgabe eine christliche Haltung in das
Verbandsleben zu integrieren. Dies setzt ein Begegnen auf Augenhöhe voraus.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir ein Mädchen- und Frauenverband sind,
gewinnt das Niederlegen veralteter, autoritärer und dogmatischer Überzeugungen
an großer Bedeutung.
Die alleinige Entscheidungsgewalt von Priestern und Bischöfen steht unserem
demokratischen Grundverständnis entgegen!
Eine zentrale Lebensaufgabe von Menschen ist die Persönlichkeitsentwicklung.
Dazu gehört die Fähigkeit, persönliche, tragfähige und förderliche
Entscheidungen treffen zu können.[xi] Die Fähigkeit dazu muss eingeübt und
erprobt werden. Der Alltag in den verbandlichen Strukturen, der schon aufgrund
der Satzung nicht ohne eine Mitbestimmung auf allen Ebenen unter Einbeziehung
aller Altersstufen funktioniert, fordert und fördert diese Situationen der
Entscheidung.
Die hierarchischen Strukturen der katholischen Kirche sind zum einen für solche
Erfahrungen hinderlich und stehen zum anderen dem demokratischen
Grundverständnis der PSG entgegen.
Unsere Mitglieder sitzen häufig zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite
bewerten einige Akteur*innen in den Pfarrgemeinden vor Ort aber auch Bischöfe
und weitere Vertreter*innen der Amtskirche unsere Verbandsspiritualität als
unzureichend katholisch und versuchen uns ihre eigenen Verständnisse gelebter
Glaubensausübung aufzudrücken. Mit drohendem Entzug kirchlicher Räume und Gelder
sind unsere ehrenamtlichen Leiter*innen teils massivem existenziellem Druck
ausgesetzt. Häufig verdrängen dabei die Erwartungen und Verpflichtungen zu
Durchführungen oder Beteiligungen an vermeidlichen Glaubenszeugnissen – die für
unsere Mitglieder teils sehr befremdlich wirken – die Entwicklung der eigenen
Verbandsspiritualität. Statt unser Gott*esbild, unsere Spiritualität und unser
soziales Engagement als eine wertvolle und wichtige Bereicherung unserer Kirche
anzuerkennen und wertzuschätzen, müssen unsere (ehrenamtlichen) Vertreter*innen
diese immer wieder erklären und rechtfertigen. Dabei erleben einige unserer
Stämme und Mitglieder vor Ort auch genau das Gegenteil: Beauftragte Kurat*innen,
Priester und weitere ehren- und hauptamtliche Ansprechpartner*innen in den
Bistümern und Pfarrgemeinden werden als bereichernde und eine wertvolle
Unterstützung wahrgenommen und bieten eine gute Zusammenarbeit auf beiden
Seiten.
Auf der anderen Seite wachsen das Unverständnis und der enorme
Rechtfertigungsdruck bei Eltern, Freunden, Bekannten – aber auch bei unseren
Mitgliedern selbst – wie wir überhaupt noch Teil eines katholischen Verbandes
sein können. Wir nehmen zunehmend war, dass gesellschaftlich Glaube an sich
bereits weniger positiv konnotiert wird, was unsere Mitglieder bereits sehr
herausfordert, sich gegenüber ihrem persönlichen Umfeld zu rechtfertigen und zu
erklären. Die erheblichen Missbrauchsvorfälle und weiteren Kritikpunkte an der
katholischen Kirche (Diskriminierung und Ausschluss von Frauen, Klerikalismus,
Machtmissbrauch und vieles mehr) erhöhen diesen Druck in das Unermessliche und
versetzen uns als Verband und unsere Mitglieder in eine innerliche Zerreißprobe.
Spiritualität ist ein wichtiger Bestandteil des Pfadfinder*innenseins. Für viele
ist die PSG der Ort, wo echter Glaube gelebt und eine weltoffene, positive Form
von Kirche und Gemeinschaft gefeiert wird. Wir haben in der PSG die Möglichkeit,
unseren Glauben so zu leben, wie wir ihn für richtig halten und nicht, wie die
Amtskirche ihn vorschreibt. Kirche ist so viel mehr als Amtskirche! Bei uns
kommen junge Menschen mit Glauben und Spiritualität in Berührung. Wir bieten
Raum, sich auch kritisch mit Glauben und Kirche auseinanderzusetzen, was wir als
wichtigen Teil der Reflexionsfähigkeit sehen. Besonders Wegzeiten und andere
Gott*esdienstformen (zum Beispiel das Friedenslicht[xii]) oder auch das
Kurat*innenamt sind positiv wahrgenommene Bestandteile des Standbeins „Wir sind
katholisch“.
Die PSG betrachtet sich auch insofern als ein aktiver Teil der katholischen
Kirche, als dass sie die vier Grundvollzüge von Kirche in ihrem Tun
verwirklicht:
Damit ist die gelebte Nächstenliebe gemeint. Aktiv für andere da zu sein und
Solidarität zu zeigen, sind Aspekte der Altersstufen. Schon die Bereitschaft
sich als Leiter*in in einer Gruppenstunde zu engagieren, stellt eine Hinwendung
zu den Menschen dar: „Aufgabe des Leiters [/der Leiterin] ist es, die Jungen
[jungen Menschen] in die richtige Richtung zu begeistern.“ (Lord Robert Baden-
Powell)
Liturgische Feiern machen einen festen Bestandteil im pfadfinderischen Alltag
aus. So finden beispielsweise viele Versprechen innerhalb einer
gott*esdienstlichen Feier statt, ebenso die Aussendung des Friedenslichtes. An
Stammeswochenenden, Lagern und weiteren Fahrten sind Wegzeiten (Gott*esdienste),
Spiri-Impulse und Reisesegen feste Bestandteile.
Das griechische koinonia bedeutet Gemeinschaft. Dieser Grundvollzug liegt der
Erfahrung zugrunde, dass Glaube im Austausch mit anderen erlebbar ist. Ein
Ausdruck dafür in der PSG ist eins der sechs Elemente: „Zusammenleben in
vertikalen Kleingruppen innerhalb einer Großgruppe“[xiii]. Zudem ermöglicht es
die Pfadfinder*innenbewegung aufgrund ihrer Organisationsform in Gruppen,
Stämmen und Diözesen und aufgrund ihrer Einbettung in verschiedene Dachverbände,
dass einzelne Menschen sich als Individuum in einer globalen Gemeinschaft
erleben. Dies wird besonders erlebbar auf internationalen Fahrten und in unserer
Partnerschaft mit der ost-afrikanischen Association des Guides du Rwanda.
Damit ist die aktive Verkündigung des Glaubens gemeint, also die Rede von Gott*
im Alltag wachzuhalten. In der PSG geschieht die Glaubensverkündigung auf
explizite, aber auch implizite Weise. So ist in den Altersstufen-Versprechen der
explizite Bezug zu Gott* ein wichtiger Versprechenspunkt. Implizit passiert die
Verkündigung über die christlichen Zeichen und Symbole, wie zum Beispiel in den
Altersstufen-Abzeichen.
Missbrauch hat kirchenintern und bei der PSG keinen Platz. Dafür müssen wir als
PSG eine präventive Ordnung garantieren, die missbrauchsermöglichende und -
unterstützende Strukturen gar nicht erst zulassen. So sind etwa die Erstellung
und Umsetzung eines intentionelles Schutzkonzeptes fundamentale Maßnahmen für
die Prävention aller Mitglieder. Zudem bedarf es PSGler*innen, die bei
Ratlosigkeit oder Hoffnungslosigkeit ein offenes Ohr für die Betroffenen haben.
Statt eines priesterlichen Selbstverständnisses, das von Kontrolle, festen
Hierarchien und Machtausübung geprägt ist, wäre eine seelsorgliche Haltung in
der Begleitung als Ermöglicher*in und verlässlicher Partner*in, als Referenz-
und Reflexionsrahmen förderlicher . Dabei muss auch ein seelsorgerisches
Verständnis innerhalb der PSG gegeben sein. Wir hören und schauen nicht weg,
sondern müssen weiterhin aktiv gegen die Strukturen ankämpfen, die Missbrauch
möglich machen!
Als Mädchen- und Frauenverband ist uns der Einsatz für Gleichberechtigung ein
großes Anliegen. Deshalb sehen wir die Öffnung des Weihsakramentes für alle
Geschlechter als einen wichtigen und notwendigen Schritt an, denn die Sakramente
werden als Ausdruck der bedingungslosen Liebe Gott*es verstanden. Frauen von
Ämtern bzw. von Sakramenten auszuschließen, bedeutet folglich nicht nur einen
Verlust an Potenzial einzugehen, sondern auch Männern mehr Würde vor Gott* als
Frauen zuzusprechen. Dies widerspricht wiederum Jesu Botschaft, dass alle
Menschen vor Gott* gleich sind.
Darüber hinaus erleben wir es als selbstverständlich, dass Frauen in unserem
Verband Gott*esdienste leiten. Der Bedarf einer männlichen Instanz für Messen
wirkt daher, besonders vor dem Hintergrund, dass wir ein Mädchen- und
Frauenverband sind, absurd.
Als Pfadfinder*innen sowie als Katholik*innen verpflichten wir uns der frohen
Botschaft Jesu Christi, also einer toleranten, vorurteilsfreien und weltoffenen
Umgangsweise mit unseren Mitmenschen. Dem Ausgrenzen und Diskriminieren von
Minderheiten, unter anderem aufgrund der durch die Amtskirche vertretenen
Sexualmoral, ist demnach aktiv entgegenzuarbeiten. So legen auch wir stets in
unserem Verbandsleben Wert darauf, über Minderheiten aufzuklären und sie zu
integrieren.
Als PSG sind wir bewusst, gewollt und gerne ein Teil von Kirche. Gerade deswegen
sehen wir es als unsere Pflicht an, mit vielen anderen auf die Mängel von
Amtskirche aufmerksam zu machen. Als feministischer Frauen- und Jugendverband
sind wir ein wichtiger Teil der katholischen Kirche in Deutschland, welcher für
ihre Zukunft und den Auftrag der Kirche unverzichtbar ist. Wir sind davon
überzeugt, dass die Amtskirche von uns lernen kann. Hierzu engagieren wir uns
aktiv in Dachverband der katholischen Jugendverbände - dem BDKJ -, bringen uns
in wichtige Diskurse ein und stärken unseren gemeinsamen Einfluss.
Mit Beteiligungen an den Katholik*innentagen, den 72h-Aktionen[xvi], einer
medialen Verteilung des Friedenslichtes, vielen regionalen Aktionen und guter
Vernetzungen wollen wir wichtige Lobbyarbeit für die Interessen und Bedürfnisse
von Kindern und Jugendlichen, Mädchen und Frauen sowie der LGBTQI+ Community
machen. Wir begrüßen und unterstützen Reformprozesse in der Amtskirche, vor
allem den Synodalen Weg[xvii] und seinen Forderungen. Auch wir selber suchen
dabei immer wieder aktiv auf allen Ebenen das Gespräch mit Bischöfen, Priestern
und Amtsträger*innen unserer Amtskirche.
Wir solidarisieren uns mit allen Menschen guten Willens, die für die Zukunft der
Kirche kämpfen, Missstände anprangern und Reformen einfordern. Besonders
sprechen wir unsere Solidarität mit den Bewegungen „Maria 2.0“[xviii] sowie „Out
in Church“[xix] aus und schließen uns vollumfänglich ihren Forderungen an.
Gesellschaftlich wollen wir mit anderen zeigen, wie vielfältig Kirche sein kann,
und Menschen eine Heimat bieten, welche die Amtskirche bisher ausschließt. In
Form von Stellungnahmen und weiteren Positionspapieren müssen wir als PSG auf
aktuelle kirchenpolitische Situationen und Kontexte reagieren und dafür mit
einem kritischen Auge das Handeln der Amtskirche beobachten und auf Missstände
hinweisen. Dabei ist es unser Ziel, alle PSGler*innen zur Glaubensmündigkeit und
Sprachfähigkeit zu befähigen, um dort einzuschreiten, wo Kirche nicht ihrem
Anspruch gerecht wird. Bei der Gestaltung von Kirche und Amtskirche wollen wir
aktiv mitwirken, um für die Menschen das Reich Gott*es erfahrbar werden zu
lassen.
Die PSG setzt sich für Feminismus und einen gendersensiblen Umgang miteinander
ein. Daher muss auch die Sprache berücksichtigt werden, die die PSG in
kirchlichen Zusammenhängen benutzt. Innerhalb der Liturgie wird oftmals nur das
generische Maskulinum verwendet, wodurch sich nicht alle PSGler*innen
angesprochen fühlen. Eine gendersensible Sprache in der Liturgie sorgt dafür,
dass alle Geschlechtsidentitäten inkludiert und berücksichtigt werden. Die
geschlechtersensible Sprache ist dabei der erste Schritt, um die Liturgie in
einen feministischen Zusammenhang zu bringen. Durch Sprechen und Denken in
vielfältigen Gott*esbildern, statt ausschließlich als männlich gedachten Gott*
Vater, versuchen wir Hindernisse im Glauben auszuräumen. Weitere Schritte wollen
wir künftig gehen, um alle Menschen in ihrem Glauben abzuholen und die Theologie
mit einem feministischen Blickwinkel zu betrachten.
Trotz der Differenzen zwischen PSG und katholischer Amtskirche erleben wir das
Standbein „Wir sind katholisch“ als wichtigen Grundsatz unserer Arbeit. Wir, als
katholischer Kinder- und Jugendverband, sind die Zukunft der Kirche und werden
uns weiterhin für unsere Vorstellungen eines gemeinschaftlich gelebten Glaubens
einsetzen. Wir wollen das Standbein in allen Altersstufen wieder sichtbarer
werden lassen und in den Diskurs mit unseren Mitgliedern kommen.[xx]
Als PSGler*innen leben wir nach der Idee „Wir sind demokratisch! Wir sind
politisch! Wir mischen uns ein!“ - dies wollen wir auch in kirchlichen
Zusammenhängen hinaustragen. Wir mischen uns dort ein, wo demokratische
Grundsätze gebrochen werden, und wir äußern Kritik, wenn die Kirchenpolitik
versagt. Wir sehen und handeln, damit wir gerne ein Teil von Kirche bleiben!
[i] Als Projektgruppe „PSG in Kirche“ möchten wir den individuellen
Gott*esbildern der PSGler*innen Rechnung tragen und benutzen daher die
Schreibweise „Gott*“. Wir möchten gleichzeitig die Auseinandersetzung im Verband
mit vielfältigen Gott*esbildern anregen.
[ii] Gen 1,31.
[iii] Joh 10,10.
[iv] Der aus der protestantischen Theologie stammende Ausspruch „Ecclesia semper
reformanda est“ wurde in die dogmatische Konstitution über die (katholische)
Kirche (Lumen gentium) wie folgt übernommen: „Sie [die Kirche] ist zugleich
heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße
und Erneuerung.“ (Lumen gentium 8). Dies ist Theologen wie Hans Küng und Julius
Döpfner zu verdanken.
[v] Die neuen Leitlinien für Jugendpastoral benennen die Schwierigkeiten, wie
u.a. Individualisierung von Religiosität, Säkularisierung, Pluralisierung und
Digitalisierung, mit denen junge Menschen heute in ihrer Gott*suche konfrontiert
sind. Das Dokument, das zusammen mit Verantwortlichen, Fachkräften und
Akteur*innen der Jugendpastoral erarbeitet wurde, zeigt 15 jugendpastorale
Handlungsfelder auf, in denen die Unterstützung für „junge Menschen […], das
Leben wahrzunehmen, es zu deuten, unter Gottes Ruf zu stellen und so der inneren
Berufung zu entsprechen.“ Wirklichkeit werden kann. Quelle: Pressemeldung (Nr.
184) vom 27.10.2021. Verfügbar unter:
https://www.dbk.de/presse/aktuelles/meldung/deutsche-bischofskonferenz-
veroeffentlicht-neue-leitlinien-zur-jugendpastoral [letzter Zugriff 19.05.2023].
Das Dokument „Wirklichkeit wahrnehmen – Chancen finden – Berufung wählen.
Leitlinien zur Jugendpastoral“ ist verfügbar unter:
https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2021/2021-184a-
Leitlinien-zur-Jugendpastoral.pdf [letzter Zugriff 19.05.2023].
[vi] Mit dem Begriff der „Beziehungspastoral“ ist gemeint, dass jeder sinnvollen
Glaubensverkündigung eine gelungene menschliche Beziehung vorausgehen muss.
Mensch vertraut der Botschaft, weil Mensch dem*der Botschafter*in vertraut.
[vii] Die Projektgruppe „PSG in Kirche“ hat im November 2022 eine Befragung der
PSG-Mitglieder zu kirchenpolitischen Fragen durchgeführt. An der Online-Umfrage,
deren 29 Fragen (21 Hauptfragen, 8 Ergänzungsmöglichkeiten) überwiegend mit
Freitext zu beantworten waren, haben sich 158 Personen ab 15 Jahren beteiligt.
[viii] Vgl. Galaterbrief: „Denn ihr seid alle durch den Glauben Gott*es Kinder
in Christus Jesus. […] Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave
noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in
Christus Jesus.“ (Gal 3,26-28).
[ix] MHG-Studie (24.09.2018): Forschungsprojekt, S. 5. Verfügbar unter:
https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-
Studie-gesamt.pdf [letzter Zugriff 13.03.2023].
[x] BDKJ-Vorstudie (23.01.2023): Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den
Jugendverbänden und Strukturen des BDKJ im Auftrag des BDKJ, S. 5, 19. Verfügbar
unter: https://www.bdkj.de/fileadmin/bdkj/bilder/themen/Aufarbeitung/2023-01-
26_Ergebnisse_BDKJ-Vorstudie_zur_Aufarbeitung_sexualisierter_Gewalt.pdf [letzter
Zugriff 23.03.2023].
[xi] Dies wird besonders auch nochmal im Element „Verantwortung geben für den
eigenen Fortschritt“ unserer sechs Elemente der pfadfinderischen Pädagogik
sichtbar. Verfügbar unter: https://www.pfadfinderinnen.de/mission-
pfadfinderin.html?file=files/pfadfinderinnen/Media/Downloads/Aktion_Mission_Pfad-
finderin/Grundlagen/Grundlagen_-_Wir_sind_Pfadfinderinnen.pdf [letzter Zugriff
19.05.2023].
[xii] „Die Aktion Friedenslicht in Deutschland geht auf die Initiative ‚Licht
ins Dunkel‘ des Österreichischen Rundfunks ORF zurück. […] Seit 1993 bringen
Pfadfinder*innen das Friedenslicht nach Deutschland. Dies ist eine gemeinsame
Aktion des Ring deutscher Pfadfinder*innenverbände (Bund der Pfadfinderinnen und
Pfadfinder (BdP), Bund Moslemischer Pfadfinderinnen und Pfadfinder Deutschlands
(BMPPD), Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG), Pfadfinderinnenschaft St.
Georg (PSG), Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP)) und des
Verbandes deutscher Altpfadfindergilden (VDAPG).“ Quelle:
https://www.friedenslicht.de/ueber-das-friedenslicht/. [letzter Zugriff
27.04.2023].
[xiii] Vgl. Die sechs Elemente. Verfügbar unter:
https://www.pfadfinderinnen.de/mission-
pfadfinderin.html?file=files/pfadfinderinnen/Media/Downloads/Aktion_Mission_Pfad-
finderin/Grundlagen/Grundlagen_-_Wir_sind_Pfadfinderinnen.pdf [letzter Zugriff
19.05.2023].
[xiv] Unter feministischer Theologie wird „eine Theol[ogie] aus
Frauenperspektive [verstanden], die das Patriarchat in Religion, Kirche u[nd]
Ges[esellschaft] erkennt, benennt u[nd] zu überwinden [...] [versucht]“, wie
Hedwig Meyer-Wilmes schreibt. Quelle: Meyer-Wilmes, Hedwig: Art. ‚Feministische
Theologie.‘ ; Selbstverständnis, Themen und Richtungen. - Durchges. Ausg. von
2006. - Freiburg im Breisgau : Herder, 2017, 1225.
[xv] Verfügbar unter: https://www.pfadfinderinnen.de/positionspapiere-
278.html?file=files/pfadfinderinnen/Media/Downloads/Positionspapiere/1%20Papier%-
20Geistliche%20Leitung.pdf [letzter Zugriff 19.05.2023].
[xvi] „Die 72-Stunden-Aktion ist eine Sozialaktion des Bundes der Deutschen
Katholischen Jugend (BDKJ) und seiner Verbände. In 72 Stunden werden dabei in
ganz Deutschland Projekte umgesetzt, die die ‚Welt ein Stückchen besser
machen‘“. Quelle: https://www.72stunden.de/informieren/die-72-stunden-
aktion/was-ist-die-72-stunden-aktion [letzter Zugriff 18.05.2023].
[xvii] „Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie ‚Sexueller Missbrauch an
Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche
Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz‘ [...] haben die
deutschen Bischöfe im März 2019 einen Synodalen Weg beschlossen, der der
gemeinsamen Suche nach Antworten auf die gegenwärtige Situation dient und nach
Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses fragt. Der Synodale Weg wird
von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen
Katholiken (ZdK) getragen.“ Quelle: https://www.synodalerweg.de/was-ist-der-
synodale-weg [letzter Zugriff: 18.05.2023].
[xviii] „Maria 2.0 ist eine freie Initiative von Frauen in der katholischen
Kirche in Deutschland. […] Die Missstände in der katholischen Kirche,
insbesondere die schleppende Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der
Kirche, wollten die Frauen […] nicht länger schweigend hinnehmen. […] Im Mai
2019 rief Maria 2.0 […] zu einen [sic!] Kirchenstreik […] auf. [...] Eine
Graswurzelbewegung war geboren. […] Die erste bundesweit koordinierte Aktion
wurde im Februar 2021 durchgeführt: Der Thesenanschlag. Die sieben Thesen fassen
die Visionen von Maria 2.0 zusammen.“ Quelle:
https://maria2.0deutschland.de/wer-sind-wir/ueber-uns.html [letzter Zugriff:
18.05.2023].
[xix] „#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst. 500 Menschen, ein Manifest,
ein Film, ein Buch.“ Quelle: https://outinchurch.de/ [letzter Zugriff
18.05.2023].
„Im Januar 2022 outeten sich über hundert hauptamtliche, ehemalige und
ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der katholischen Kirche in Deutschland als
LGBTIQ+. […] Das gemeinsame Ziel: Ein drängender Appell für eine ‚Kirche ohne
Angst‘, in der Menschen darin offen und ehrlich ihre Identität leben können.“
Quelle: https://outinchurch.de/buch/ [letzter Zugriff: 18.05.2023].
[xx] Hierzu gibt es von dem PSG-Diözesanverband Münster bereits eine
Gruppenstundenhilfe, die für alle Altersstufen Ideen, um in den Austausch zu
kommen, bereithält. Verfügbar unter:
https://padlet.com/PSGMS/Wirsindkatholisch/wish/2217846034 [letzter Zugriff
19.05.2023].
Begründung
Als Projektgruppe hatten wir von der Bundesversammlung 2021 den Auftrag eine Position zu erarbeiten[1], wie auf aktuelle kirchenpolitische Themen reagiert werden kann. Dazu haben wir im November eine Online-Befragung unserer Mitglieder zu kirchenpolitischen Fragen durchgeführt, an der 158 Personen teilgenommen haben. Auf deren Grundlage, sowie unseren eigenen Erfahrungen, Gesprächen und Wahrnehmungen haben wir dieses Positionspapier erarbeitet. Es soll zukünftig dem Bundesvorstand und der Bundesleitung, sowie allen Akteur*innen in der PSG unterstützen und stärken die kirchenpolitische Haltung der PSG nach außen zu vertreten. Die dringende Notwendigkeit unserer Positionierung ist im Positionspapier (Zeile z.Zt. nicht angebbar) noch einmal dargelegt.
[1]PG-Gründungsantrag der BV 2021
Die Bundesleitung wird beauftragt einen Arbeitskreis zu bilden, der einen gesamtverbandlichen Prozess zum Thema „PSG in Kirche“ anstößt.
Der Prozess soll das Standbein „Wir sind katholisch“ in den Fokus rücken und so gut es geht partizipativ auf allen Ebenen gestaltet werden. Besonderes Augenmerk soll auf dem Thema „Mädchen* und (junge) Frauen* in der Kirche“ liegen.
Während des Prozesses sollen die Kurat*innen und die Bundesleitung eingebunden werden. Der AK soll aus interessierten Mitgliedern aus mindestens 3 Diözesen bestehen. Der AK muss spätestens zum Bundesrat 2022 gebildet worden sein, erste Ergebnisse sollen zur Bundesversammlung 2022 präsentiert werden.